Auszug aus der Walsroder Zeitung vom 27. April 2024

125 Jahre Verkehrsverein

Als die Luftschnappers und Sommerfrischler kamen

Ursprünglich galt die Gegend als „ödester Teil der Lüneburger Heide“. Doch dann machten die Brüder Freudenthal und Hermann Löns ordentlich Werbung – und die Städter entdeckten Anfang des 20. Jahrhunderts als Touristen Fallingbostels Reize. Nun feiert der Verkehrsverein seinen 125. Geburtstag.

Luftschnappers“ und „Sommerfrischler“ wurden sie genannt. Menschen, vor allem aus umliegenden Großstädten, die den Reiz der Lieth und des Böhmetales früh erkannten und sich vom Mief der Metropolen in der „grünen Lunge Fallingbostel“ erholen wollten. Vor allem der Anschluss der heutigen Kreisstadt ans Bahnnetz 1986 wird als Geburtsstunde des Fremdenverkehrs gefeiert.
Grund genug, sich um die Erholungssuchenden zu kümmern: Am 20. April 1899 wurde unter dem Vorsitz von Kanzleirat Paul der „Verschönerungsverein“ gegründet. Die Mitglieder hatten viel vor – Sitzbänke aufstellen, Wege erschließen, Stege über die Böhme bauen, Schutzhütten errichten, Gäste betreuen.
125 Jahre später hat der heutige Verkehrsverein Bad Fallingbostel e.V. mit dem angeschlossenen Kneippverein, einen Grund zum Feiern.

„Geburtsstunde“ eines florierenden Fremdenverkehrs: Das Foto entstand bei der Einweihung des Fallingbosteler Bahnhofs am 1. Oktober 1896.Foto: Stadtarchiv Bad Falllingbostel

Dabei war das, was noch 1904 in „Meyers Großem Konversations-Lexikon“ über Fallingbostel und sein Umland stand, wenig schmeichelhaft: „Fallingbostel“ Dorf und Hauptort des gleichnamigen Kreises im preußischem Regierungsbezirk Lüneburg, an der Staatsbahnlinie Walsrode-Soltau, hat eine evangelische Kirche und (1900) 1070 Einwohner. Der Kreis Fallingbostel umschließt den ödesten Teil der Lüneburger Heide.“ Bei einer solchen Bewertung auf einem Reiseportal im Internet wären Tourismusanbieter heutzutage ruckzuck insolvent und ein ganzer Landstrich wirtschaftlich erledigt.
Zum Glück brachten unter anderem die Brüder Freudenthal und auch Hermann Löns die Region in der Gunst der Erholungssuchenden nach vorn. „Paradies der Heide“ nannte Dichter und Schriftsteller August Freudenthal seinen Geburtsort. Das zog die Zahl der Sommergäste nahm kontinuierlich zu. Von gut 1000 Gästen im Jahr 1903 steigerte sich die Zahl auf mehr als 2000 fünf Jahre später, 3200 waren es im Jahr 1912. Neue Hotels, Gasthäuser und Pensionen entstanden, in Bahnhofsnähe sogar eine „Verkehrsauskunftsstelle“, die in den späten 1930er Jahren in eine „Wehrmachtsauskunftsstelle“ für ankommende Soldaten umgewandelt wurde. Zunehmend verstopften „Benzinkutschen“ aus Hamburg, Bremen und Hannover die Straßen, wird in alten Texten bemängelt. Daran hat sich bis heute wenig geändert.

Sechs Motive wurden auf der 1896 geschriebenen Postkarte zusammengefügt: In der Mitte der oberen Reihe ist die „Celler Straße“ abgebildet. Seit Anlegung des Truppenübungsplatzes Bergen Mitte der 1930er Jahre heißt sie „Vogteistraße“.Quellen der Postkarten: Stadtarchiv Bad Fallingbostel

Fallingbostel putzte sich heraus. Nur vier Jahre nach dem Lexikon-Eintrag stellte Franz Gabain in seinem 1908 erschienenen „Wanderbuch durch die Lüneburger Heide und ihre Grenzgebiete“ fest: „Tüchtige Fußgänger finden in Fallingbostel nicht nur einen schönen Aufenthaltsort, sondern auch einen außerordentlich geeigneten Ausgangspunkt für Wanderungen in die herrlichen Forste und Heideflächen der Südheide sowie die Moore bis an die Aller heran.“ In „noch weit höherem Maße“ sei dies für den Radfahrer der Fall. „Selbst bei mehrwöchentlichem Aufenthalt wird es kaum möglich sein, die Möglichkeit an Ausflügen zu erschöpfen“, hielt Gabain fest.
Mobilität erwies sich als wichtiger Faktor. Zunächst brachten Pferdekutschen die „Freizeitler“ zum Achter- und zum Falkenberg, zur Lönshütte und den Sieben Steinhäusern. Immer häufiger nutzten die Urlauber Fahrräder, „Feuerstühle“ (Motorräder) und schließlich Autos für den Weg zu den Sehenswürdigkeiten. Tischler Heinrich Bunke gründete 1903 eine Bootsstation am Flüsschen Böhme. Nicht nur das: Er baute in seiner Werkstatt Paddel- und Ruderboote, gehörte also zu den frühen Förderern des Fremdenverkehrs.
In den 1920er Jahren traf die Inflation auch den Verkehrsverein hart. Ob Werbung, Neuanschaffung von Bänken und Papierkörben oder Erstellung von Werbeprospekten: Die Kosten stiegen rasant, die Zukunft war ungewiss. Der Vorstand tagte mehrfach in der Woche und versuchte, heil durch die Zeit zu kommen. Die Festschrift zeigt auf: Am 1. November 1923 kostete ein Pfund Zucker 250 Milliarden Mark, 500 Gramm Fleisch gab´s für 3,2 Billionen. Bald darauf hatte der Spuk ein Ende, der Verein konnte seine Arbeit fortsetzen.
Als immer mehr Gäste kamen und die Einwohnerzahl stieg, leitete der damalige Vorsitzende des Vereins, Katasterdirektor Wilhelm Meyer, den Bau einer „richtigen Badeanstalt“ ein. Am 1. Juni 1930 wurde das Freibad eingeweiht.

1934 begannen die Planungen für den Bau des Truppenübungsplatzes, ein gewaltiger Einschnitt auch für den Fremdenverkehr. 21 Ortschaften und Siedlungen wurden östlich von Fallingbostel aufgelöst, gut 3600 Menschen umgesiedelt. Lehrer Hans Stuhlmacher hatte die Idee, ein altes Bauernhaus aus der Heidmark nach Fallingbostel zu versetzen.
Der „Hof der Heidmark“ im Lieth-Wald ist noch heute ein begehrtes Ziel für Touristen und Ort für besondere Veranstaltungen. 1935 zählte Fallingbostel vier Hotels, acht Gasthäuser und 22 Pensionen mit rund 700 Betten – und das bei einer Einwohnerzahl von 2251 Personen. Ab 1922 gab es auch eine Jugendherberge.
Der Fremdenverkehr im Ort erlebte starke Veränderungen. Plötzlich waren die Zeiten vorbei, in denen wie noch im August 1937 fünf Sonderzüge – zwei aus Sarstedt und jeweils einer aus Hannover, Harburg und Hamburg – einen „Fremdenverkehrssonntag erster Klasse“ bescherten. Die Anlegung des Truppenübungsplatzes Bergen wirkte sich auch auf den Tourismus aus. Die landschaftlich schönsten Gebiete befanden sich auf dem militärischen Übungsgelände und konnten nicht mehr von Fallingbostel aus erwandert oder mit dem Fahrrad, der Pferdekutsche oder gar dem Automobil erreicht werden. Lediglich ein Ausflug zu den Sieben Steinhäusern war noch möglich – allerdings mit der im Prospekt genannten Einschränkung: „Mit Genehmigung der Kommandantur nur bei geöffneter Schranke mit Ausweis zu betreten, sonnabends ab 14 Uhr bis sonntags abends. Das gleiche gilt auch für das übrige Gelände. Ausweise im Verkehrsbüro am Bahnhof erhältlich.“ Nach und nach gingen die Übernachtungszahlen zurück. Der Krieg und die Jahre danach brachten den Fremdenverkehr zum Erliegen.

Wann genau aus dem Verschönerungsverein der Verkehrsverein wurde, ist nicht bekannt. Als gesichert gilt, dass sich der Verkehrsverein am 8. August 1946 zur ersten Sitzung nach dem Krieg traf. Alle Betten waren damals durch britische Soldaten, Flüchtlinge und Vertriebene belegt. Auch zwei Jahre später standen nur 60 Betten für Urlaubsgäste zur Verfügung. Ende 1949 fiel die Bilanz besser aus: 11.000 kurtaxpflichtige Über-nachtungen, dazu 7000 Übernachtungen von Geschäftsreisenden und 6000 Übernachtungen in der Jugendherberge fanden sich in der Saison auf der Liste.
Im Februar 1950 beschloss der Stadtrat, ein Verkehrsamt einzurichten. Unter der Leitung des Zahnarztes Dr. Paul Reinwein wurde am 11. September 1951 der Kneipp-Verein gegründet. Kurbetriebe und Sanatorien entstanden – ein ganz neuer Abschnitt des Fremdenverkehrs begann. Legendär sind Fotos mit Schauspielerin Hildegard Knef aus den 1950er Jahren.
Die Übernachtungs-zahlen stiegen an: 1961 zählte Fallingbostel rund 72.000 Übernachtungen, neun Jahre später schon 98.000. Kurhaus (seit 1985 in der heutigen Form), Grünanlagen und Kurklinik (1975 eröffnet, heute Reha-Klinik) entstanden. Die Prädikate staatlich anerkannter Luftkurort (1975) und Kneipp-Heilbad (1977) haben seit 2015 ausgedient. Der Namenszusatz „Bad“ (seit 2002) ist geblieben.
Der Verkehrsverein zählt heute rund 160 Mitglieder, im angeschlossenen Kneippverein sind 40 Personen organisiert (zum Teil Doppelmitgliedschaft). Der neue Vorstand mit Helmut Meyer (Vorsitzender Verkehrsverein) und seiner Vertreterin Dr. Monika Willenbring (gleichzeitig Vorsitzende Kneippverein) hat im April die Verantwortung übernommen. Die Kernaufgabe, mit ehrenamtlichem Engagement den Tourismus zu fördern, gilt unverändert. Das Motto seit jeher: „Einrichtungen, die der Erholung dienen, pflegen und erhalten, damit sich der Gast wohlfühlt“.

Quellen: Jubiläumsfestschrift 100 Jahre Verkehrsverein Bad Fallingbostel e.V., WZ-Archiv, Stadtarchivar Dr. Wolfgang Brandes, Verfasser: Manfred Eickholdt

Vorstand:

Der aktuelle Vorstand besteht aus folgenden Personen:

           1. Vorsitzender: Helmut Meyer
           2. Vorsitzende:  Dr. Monika Willenbring
Kassenwartin:   Petra Coors
Schriftführerin:   Marjetta Gärtner
1. Beisitzer:       Rolf Dolle
2. Beisitzer:       Matthias Othmer